{YOKontour} Zu Besuch im Forsthaus Strelitz
- 04. Jun 2017
Der wundervolle Duft von Holzfeuer umgibt uns, als wir das Forsthaus betreten. Die Wände sind in Erdtönen gehalten, unaufdringliche Musik beschallt den Gastraum, der gleichzeitig Rezeption ist und einen Blick auf die offene Küche ermöglicht. Man sieht den Küchenchef bei seinen Vorbereitungen für das Abendessen, hier wollen wir erstmal nicht stören. Während man uns zu unserem Zimmer bringt, erhalten wir einen kurzen Überblick über das gesamte Anwesen.
Wir sind im Forsthaus Strelitz, irgendwo im Nirgendwo nördlich von Berlin, an der Mecklenburgischen Seenplatte. Es ist Ende April, und nach einer längeren Schlechtwetterphase scheint heute den ganzen Tag schon die Sonne. Wir sind umgeben von Wald, unzählige Vögel geben ihr Vorabendkonzert. Das Hauptgebäude des Forsthauses beherbergt das Restaurant, ein großes Nebengebäude sieben Zimmer für Wochenendgäste. Dort befindet sich außerdem ein ganz kleiner Raum mit der „Mini-Bar“, wo wir Säfte, Wasser und Sekt zur Begrüßung erhalten. Kein Barkeeper weit und breit, wir dürfen uns einfach bedienen.
Unser Zimmer im ersten Stock erreichen wir über eine Wendeltreppe. Es ist riesig, aber nicht mit Schnickschnack vollgestellt. Ein Bett, zwei Sitzgelegenheiten mit kleinem Tisch, eine funktionale Garderobe, die als Schrank dient. Ein großer lehmummantelter Holzofen nimmt ebenfalls noch Platz ein, beheizt allerdings auch das Zimmer. Und verströmt auch hier diesen herrlichen Duft nach Feuerholz.
Bevor wir den Rest des Anwesens erkunden, sagen wir doch noch dem Küchenchef und Besitzer richtig Hallo. Wenzel Pankratz kommt aus der Küche hervor und begrüßt uns herzlich, aber kurz. Immer noch die Vorbereitungen fürs Abendessen. Das Schnacken wird auf später verschoben, was für uns kein Problem ist, denn es gibt noch viel zu entdecken. Wenzel hat den elterlichen Betrieb vor ein paar Jahren übernommen und stellte die Küche von einer gut-bürgerlichen Tradition auf eine gehobene um. Das Interessante für uns: Hier wird bis auf ein paar kleine Ausnahmen alles selbst gemacht. Gemüse und Obstanbau, Saft, Cidre, Honig, Schlachten und Wursten. Die Eier kommen von den Hühnern hinterm Haus, die Milch der eigenen Schafe wird auch in den Speisen verwendet. Sogar das Feuerholz wird selbst gemacht. Damit wird nämlich nicht nur geheizt, sondern auch gekocht.
Wir begeben uns vor dem Abendessen noch auf einen Rundgang. Hinter dem Wohnhaus befindet sich der Hühnerstall, den sich zwei Hähne und ca. zehn Hühner zusammen mit ein paar Enten teilen. Manchmal sitzt auch eine der drei kleinen Katzen zwischen ihnen. Noch weiter hinten befindet sich der Schweinstall. Für die Muttersau mit ihren Ferkeln gibt es einen riesigen Auslauf, den sie auch exzessiv benutzen um mit ihren Rüsseln die Erde nach Nahrung zu durchforsten.
Wir gehen weiter, vorbei an den Bienenstöcken, Richtung Gemüsegarten. Hier wird für die Küche angebaut. Je nach Jahrszeit wächst hier alles, was man sich nur vorstellen kann. Sogar ein kleines Gewächshaus gibt es hier. Auf die Frage hin, wie groß die Anbaufläche ist, kann Wenzel keine genaue Auskunft geben. Es scheint zu reichen.
Das Anwesen scheint kein Ende zu finden, noch weiter führt uns der Weg und wir kommen an der Schafweide und den Eseln vorbei, sind dann aber wieder direkt hinter dem Restaurant-Teil. Überall verteilt finden sich auch noch Quittenbäume, Beete mit Kräutern, immer wieder läuft einem eine Katze oder einer der beiden Hunde über den Weg.
Das Abendessen wird ausschließlich als Menü angeboten, hier kann man zwischen vier oder sechs Gängen wählen. Die alkhoholische Begleitung ist optional, man sollte sie aber unbedingt wahrnehmen. Deshalb begrüßt uns zuallererst ein Gin mit Sanddorn-Sorbet und Majoran-Zucker und zieht uns ganz kurz beinahe die Schuhe aus. Er kommt definitiv auf die Liste unserer sommerlichen Drinks für den Balkon. Dazu wird ein Leinsamen-Chip mit Steinpilz-Creme gereicht. Den Gin saugt dann das selbstgebackene Roggen-Sauerteigbrot auf. Es wird ganz einfach mit Butter und Salz serviert und wir denken schon wieder, dass wir unser Brot unbedingt öfter selbst backen müssten.
Wir sind keine Restaurantkritiker und wollen es auch gar nicht sein. Deshalb fliegen wir hier nur über das Menü und stellen die Speisen vor. Abgesehen davon, dass alles ausgezeichnet geschmeckt hat und durch Einfachheit besticht – jeder Gang besteht im Grunde nur aus drei Komponenten – ist für uns wichtig, woher die Zutaten kommen. Und woher sie hier kommen, haben wir ja bereits gesehen.
Es geht also mit Spargel aus der Region weiter, dazu Buttermilch-Creme und Bärlauchöl. Es folgt Zander mit Zwiebeln und Lakritz. Bei diesem Gericht fällt auf, wie wichtig der passende Wein zu einem Gericht ist. Denn der Pinot Gris aus dem Elsass, wie die meisten Weine an diesem Abend ein Naturwein, lässt zusammen mit Zwiebeln und Lakritz die Sonne im Mund aufgehen. Es folgt Kaviar vom Hecht, auf Rosenkohlblättern und Kartoffelbrei.
Bevor wir zum Fleischgang kommen, erwartet uns noch etwas ganz Außergewöhnliches. Fermentierter Kohlrabi in Douglasien-Essenz mit Douglasien-Öl. Es fällt schwer den Geschmack der Essenz zu beschreiben, am ehesten vielleicht mit dunklem Miso. Wir wussten jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass man Douglasie überhaupt in der Küche verwenden kann und sind erneut begeistert, dass Wenzel alles aus dieser Gegend verarbeitet.
Danach Kalbsrücken mit eingelegtem Mairübchen auf geräuchertem Senf. Das Mairübchen war etwas zu sauer eingelegt, das macht das auf den Punkt gegarte Stück Kalbsrücken aber wieder wett. Zur Erinnerung: es wird ausschließlich auf Feuerholz gekocht.
Als Dessert wird Quittensorbet und Schafsmilcheis serviert. Auch hier ist alles selbstgemacht und obwohl ich eher der Fan von schokoladigen Nachtischen bin, ist das trotzdem ein würdiger Abschluss eines wundervollen Abends.
Sagte ich "Abschluss"? Bevor wir rüber ins Zimmer gehen, gibt es noch einen „kleinen“ Absacker: Preussen-Whisky mit Honig-Likör und einem Bamm! Es lohnt sich also definitiv, hier auch zu übernachten. Da das jedoch nur am Wochenende möglich ist oder auf spezielle Anfrage, sollte man einen Fahrer dabei haben oder sich ein Taxi kommen lassen. Wie bereits erwähnt, ist die Alkoholbegleitung sehr zu empfehlen. Man würde sonst z.B. auch den selbstgemachten Quitten-Cidre verpassen, der bei uns zum Spargel gereicht wurde.
Vor dem Schlafengehen schieben wir noch einen Scheit Holz in den Ofen, denn es ist noch ziemlich frisch Ende April. So gegen halb sechs Uhr am Morgen stellte sich das allerdings als Fehler heraus. Wir sind es gewohnt, im eher etwas kühlen Schlafzimmer zu übernachten und der Ofen strahlt zwar dezent aber beständig eine wohlige Wärme aus. Zuviel für uns und deshalb öffnen wir das Fenster und können unseren Ohren kaum trauen. Das Konzert der Vögel ist überwältigend! So etwas habe ich zum letzten Mal gehört, als ich mit den Pfadfindern im Wald übernachtete. Es sind so viele und alle zusammen sind so laut, es ist einfach wunderbar. Jeder sollte so etwas mal gehört haben, es ist nicht zu vergleichen mit dem Vogelgezwitscher in Ballungsgebieten. Zufrieden und im Bewusstsein, dass es erst ab 9 Uhr Frühstück gibt, schlummern wir nochmals ein.
Auch dieses erwartet uns dann mit allerlei Selbstgemachtem. Brot und Buchteln für die Grundlage, Pflaumenmus, Erdbeermarmelade und Honig als süßer Belag. Selbstgemachte Mettwurst und Leberwurst, sowie ein milder Bergkäse bilden die Herzhafte Komponente. Dazu kommen die Eier von den eigenen Hühnern, selbstgepresster Apfelsaft und als großes Finale ein Quark mit Honig und Vogelbeeren. Dass wir schon in einer halben Stunde wieder gehen müssen, um unseren Zug zu erwischen, umgibt uns mit Wehmut.
Wir wären gerne noch etwas länger geblieben, denn alles war perfekt. Wenn man sich also mal im Großraum Berlin oder an der Mecklenburgischen Seenplatte aufhalten sollte, dann lohnt sich ein Abstecher ins Fortshaus Strelitz auf jeden Fall. Wer länger Zeit hat, sollte vielleicht auch darüber nachdenken, gleich zu übernachten. Es ist mit normalen Hotels nicht vergleichbar. Wer weniger Zeit hat, sollte zumindest das komplette Menü mit Getränke-Begleitung probieren. Unser Aufenthalt war einfach nur zauberhaft...und obwohl es nicht mal 24 Stunden waren, fühlen wir uns, als wären wir eine ganze Woche im Urlaub gewesen.
Zu unserem Besuch im Forsthaus Strelitz folgten wir Wenzels Einladung. Unsere Meinung beeinflusst dies nicht.
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Kommentare
herr lagerfell
06.06.2017
Sieht wirklich spannend aus. Ich bin immer wieder überrascht, dass es so tolle Kleinode in Meck-Pomm gibt (selten aber doch)
Julia
05.06.2017
Das klingt nach einem ganz wunderbaren Aufenthalt, vielen Dank für den tollen Tipp!
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